Zwei Expert*innen der DIHK im Interview
Welche Erleichterungen und Herausforderungen ergeben sich mit der Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung?
Was wird sich ändern, welche Branchen könnten von den Neuregelungen besonders profitieren und welche Rolle wird in Zukunft die Anerkennung spielen? Dr. Stefan Hardege und Kathrin Tews von der Deutschen Industrie und Handelskammer (DIHK) geben hierzu eine Einschätzung. Dr. Stefan Hardege ist Referatsleiter für Fachkräftesicherung, Arbeitsmarkt, Zuwanderung. Kathrin Tews ist Referatsleiterin Anerkennung ausländischer Abschlüsse, Kompetenzerfassung.
Welche Erleichterungen ergeben sich für Unternehmen, ihrer Einschätzung nach, durch die neuen Regelungen?
Dr. Stefan Hardege: „Die Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung geht an vielen Stellen in die richtige Richtung und kann die Beschäftigung internationaler Fachkräfte erleichtern. Dies gilt z.B. für die Zuwanderung ohne Anerkennung der ausländischen Berufsqualifikation. Einerseits tritt ab März 2024 die Möglichkeit der Anerkennungspartnerschaft in Kraft, die es möglich macht, erst einzureisen und dann das Anerkennungsverfahren in Deutschland zu starten. Andererseits können Personen mit Berufserfahrung, die ein Arbeitsplatzangebot mit ausreichendem Mindestgehalt haben, ohne Berufsanerkennung in hiesigen Unternehmen arbeiten. Diese beiden Möglichkeiten stellen neue Optionen dar.“
Wo sehen Sie Herausforderungen bei den neuen Regelungen?
Dr. Stefan Hardege: „Aus der Vergangenheit wissen wir, dass bei der Zuwanderung die Verwaltungsverfahren häufig sehr zeitintensiv sind und Unternehmen den Prozess oft als intransparent wahrnehmen. Den Unternehmen fehlt es vielfach an festen Ansprechpersonen in den Behörden. Daher braucht es bei der gerade beschlossenen Weiterentwicklung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes zusätzlich eine Beschleunigung der Prozesse – insbesondere durch Digitalisierung. Als weitere Herausforderung sehen wir, dass auch das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz sehr komplex bleibt, da zu alten Regelungen neue hinzukommen. Gerade KMU fürchten daher den Aufwand und die Unübersichtlichkeit. Gute Informations- und Unterstützungsangebote für Betriebe sind daher unabdingbar.“
Was haben Unternehmen im Kontext der Fachkräfteeinwanderung von einer Berufsanerkennung?
Kathrin Tews: „Es gibt in Zukunft die Möglichkeit für internationale Fachkräfte auch ohne Anerkennung nach Deutschland einzureisen und hier als qualifizierte Beschäftigte tätig zu sein. Dennoch kann es sich weiterhin für Unternehmen lohnen, auf die Anerkennung der ausländischen Berufsqualifikation zu setzen. Mit dem Anerkennungsbescheid können Unternehmen sofort erkennen, welche Fähigkeiten und Kenntnisse die ausländischen Fachkräfte mitbringen. Die Berufsanerkennung gibt außerdem die Sicherheit, dass die Inhalte der Ausbildung, die die Person im Ausland durchlaufen hat, mit denen einer deutschen Ausbildung übereinstimmen. Die Anerkennung bleibt damit ein wirksames Transparenzinstrument: Betriebe können Aufgaben und Einsatzmöglichkeiten der Fachkräfte leichter bestimmen und erfahren, wo gegebenenfalls noch Qualifizierungsbedarf besteht.“
Für wen ist die Anerkennungspartnerschaft relevant?
Kathrin Tews: „Die Anerkennungspartnerschaft bietet für Betriebe und zukünftige Mitarbeitende die Möglichkeit, eine Anerkennung des ausländischen Abschlusses erst in Deutschland zu beantragen. Die Fachkraft kann also schon vor dem Start des Anerkennungsverfahrens einreisen und im Unternehmen arbeiten. So muss nach dem Bewerbungsgespräch und der Einstellungszusage nicht das Ergebnis der Anerkennung abgewartet werden, sondern die Fachkraft kann direkt mit einem Visum für die Anerkennungspartnerschaft einreisen. Unternehmen und neu gewonnene Mitarbeiter vereinbaren eine qualifizierte Beschäftigung und den zügigen Start des Anerkennungsverfahrens.“
Welche Branchen profitieren, Ihrer Meinung nach, am meisten von den Neuerungen bei der Fachkräfteeinwanderung, und warum?
Dr. Stefan Hardege: „Gerade Branchen, in denen es bei der Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte weniger auf einen formal anerkannten Abschluss, sondern mehr auf praktische Berufserfahrungen ankommt, könnten von den Neuregelungen zur sogenannten Beschäftigung bei ausgeprägter berufspraktischer Erfahrung profitieren. Allerdings dürfte die Mindestgehaltsschwelle von ca. 40.000 Euro im Jahr für etliche Betriebe eine Hürde sein. Die Erweiterung der Sonderregelungen für IT-Fachkräfte, die z.B. auch ohne einen Hochschulabschluss, aber mit entsprechender Berufserfahrung, eine Blaue Karte EU erhalten können, kann neue Möglichkeiten für IT-Unternehmen schaffen. Da diese Fachkräfte aber auch in vielen weiteren Branchen gefragt sind, dürfte dies nicht auf den IT-Bereich beschränkt bleiben. Von der Westbalkanregelung haben in der Vergangenheit das Bau- und das Gastgewerbe häufig profitiert. Die Entfristung und die Kontingenterhöhung auf 50.000 pro Jahr könnten somit diesen Branchen entgegenkommen.“