Christina Brandt vom Restaurant Gong im Interview
Wie ein guter Onboarding-Prozess dabei hilft, Fachkräfte in der Gastro zu halten
Derzeit begegnen einem im Alltag immer wieder aufgrund von Personalmangel geschlossene Restaurants. Auch in den Medien wird das Thema Fachkräftemangel in der Gastro-Branche viel diskutiert.
Wir von „Unternehmen Berufsanerkennung“ (UBA) haben mit Christina Brandt vom Restaurant Gong gesprochen und sie nach ihren Erfahrungen gefragt. Im Interview geht es darum, welche Strategien das Restaurant anwendet, um mit dem Fachkräftemangel umzugehen, wie neue Mitarbeitende ins Team integriert werden und welche Tipps Christina Brandt für andere Gastronomie-Betriebe hat.
Wie ist die aktuelle Lage in Hamburg Fachkräfte im Gastro-Bereich zu bekommen?
Die aktuelle Lage in Hamburg Fachkräfte zu finden gestaltet sich äußerst schwierig. Für viele mag es inzwischen zu einem leidigen Thema geworden sein, aber es lässt sich nicht leugnen: die Covid 19-Pandemie hat ihre Spuren hinterlassen, die noch eine lange Zeit brauchen bis sie verblassen. Die Gastronomiebranche wurde vor Herausforderungen gestellt, die es vorher noch nie gab. Zutrittsbeschränkungen, Lockdowns etc. machten aus dem Daily Business einen Überlebenskampf.
Die Abwanderung von Fachkräften in andere, „sichere“ Branchen ist nicht zu leugnen und trifft die Branche hart. Um die verbliebenen Fachkräfte reißen sich die Arbeitgebenden. Die Konkurrenz ist groß und das Image der Gastronomie als attraktiver Arbeitgeber beschädigt. Umso mehr Arbeit muss in die Rekrutierung und Bindung von Fachkräften gesteckt werden. Ich sehe darin eine positive Entwicklung. Die wichtigen Themenbereiche wie Personalmarketing und -bindung geraten mehr in den Vordergrund.
Wir sind froh, dass die Gong Gastro GmbH während der Covid 19-Pandemie keine Mitarbeitenden entlassen musste und sich auch niemand dazu entschied, den Betrieb zu verlassen.
Für Ihr Unternehmen Gong Gastro brauchen Sie vor allem in der Küche versierte Fachkräfte, die wissen, wie man authentisch asiatische Speisen zubereitet. Wie sieht da Ihr Recruiting aus?
Für den Küchenbereich eines asiatischen Restaurants ist das Know-how über authentisch chinesische Küche von immenser Bedeutung. Nichtsdestotrotz darf die Handlungsfähigkeit in der Küche nicht personengebunden sein. Andernfalls wäre es der worst case, dass im Krankheits- oder Quarantänefall die Küche schließen müsste. Gemeinsam mit den versierten Köchen arbeiten wir momentan daran, die Produktionsprozesse so zu standardisieren, dass z.B. auch die Auszubildenden während ihrer Ausbildungszeit die traditionelle Herstellung in einer moderner Weise lernen. Der Fokus liegt momentan auf der Wissensvermittlung an die „nächste Generation“.
Sie wurden dieses Jahr mit dem Arbeitgebersiegels „Wir fördern Anerkennung“ ausgezeichnet für Ihr besonderes Engagement bei der Unterstützung von Berufsanerkennung internationaler Fachkräfte. Wie hat Ihnen Berufsanerkennung geholfen den Fachkräftemangel zu umgehen?
Die Berufsanerkennung trägt dazu bei, die eigene Attraktivität als Arbeitgebender zu stärken und dadurch Fachkräfte zu gewinnen und zu halten. Aber die Hilfestellung zur Berufsanerkennung in Deutschland alleine ist nicht der Faktor, der Fachkräfte dazu bringt, bei einem Unternehmen zu bleiben. Und die Steigerung der eigenen Attraktivität sollte nicht das Hauptaugenmerk von Arbeitgebenden sein. Vielmehr sollte es auch um die Anerkennung des Arbeitnehmenden als Person gehen. Wenn das Unternehmen mit dem Herzen hinter den Arbeitnehmenden steht und sie in ihrer Aus- und Weiterbildung unterstützt, ist das noch weit mehr als reine Hilfe bei der Bürokratie. Deshalb schätze ich das Arbeitgebersiegel „Wir fördern Anerkennung“ sehr: alle Siegeltragenden haben sich ihr Siegel verdient, indem sie den Unternehmenswert Mensch wertschätzen.
Wie gestalten Sie den Onboarding-Prozess Ihrer internationalen Mitarbeiter*innen?
Tatsächlich gleicht der Onboarding-Prozess internationaler Mitarbeitenden dem nationaler Mitarbeitenden sehr. Alle erhalten eine ähnliche Einarbeitung, jedoch mit individuellen Extras.
Neuen Kolleg*innen möchten wir Sicherheit und Stabilität bieten. Dafür ist es wichtig, von Anfang an Struktur und Organisation zu zeigen. Es findet zunächst ein erstes Einzelgespräch statt, indem allgemeine Fragen geklärt werden können. Viele organisatorische Angelegenheiten wurden inzwischen digitalisiert, wie etwa die Personalplanung. Wir haben ein Handbuch erstellt, dass allen neuen Kolleg*innen übergeben wird. Darin finden sich allgemeine Informationen zu dem Restaurant, wichtige Ansprechpartner*innen und erste Informationen zu der Arbeitsdynamik allgemein z. B. Leitsätze und Handlungsempfehlungen. Abhängig von der jeweiligen Person stellen wir Informationen rund um das Ankommen und Leben in Deutschland, branchenspezifische, aber auch alltägliche Vokabeln oder Informationen zu Fort- und Weiterbildungen zur Verfügung.
In der Einführungswoche lernen neue Kolleg*innen die verschiedenen Bereiche des Betriebs und deren Zusammenspiel kennen. Danach geht es dann ans Eingemachte. Wichtig ist vor allem auch die Kommunikation mit den älteren Teammitgliedern. Ein respektvolles Miteinander und Verständnis für die anderen Personen ist wertvoll für das Zusammenarbeiten im Team. Und auch, wenn es in der Gastro oft stressig wird, ist Geduld das A und O.
Welche Strategien gibt es, die neuen Teammitglieder im Restaurant und in Hamburg zu integrieren?
Um neue Teammitglieder in das Restaurant und in Hamburg zu integrieren, nutzen wir verschiedene Maßnahmen. Dazu gehört eine enge Betreuung mit gleichzeitig auch genügend Freiraum. Neue Kolleg*innen bekommen zunächst einen Rundum-Einblick in das gesamte Restaurant. Wer den Gesamtzusammenhang versteht, kann die eigene Position besser reflektieren. Wir organisieren momentan ein Tandem-Programm, wodurch neue Kolleg*innen in der Einführungszeit ältere Mitarbeitende als eine Art Mentor*innen zur Seite gestellt bekommen. Von den Kolleg*innen aus Vietnam ist dieses Prinzip „große Schwester“ bzw. „großer Bruder“ genannt worden, was auch so bei uns Gebrauch findet.
Das leitet direkt zum nächsten Punkt: Mitsprache. Um neue Teammitglieder zu integrieren, sollen sie sich bereits von Beginn an wertgeschätzt und gehört fühlen. Wer Ideen und Vorschläge hat, darf und soll diese sehr gerne einbringen. Um die Kreativität der Kolleg*innen und gleichzeitig die Innovation der Speisekarte zu fördern, beginnen wir einmal jährlich einen kleinen internen Wettbewerb. Kolleg*innen werden in Zweierteams zusammen gelost und bekommen ein festes Budget. Damit soll eine neue Speise entwickelt werden. Die Speise, wofür die aus Kolleg*innen und Geschäftsführung bestehende Jury am meisten Punkte vergibt, schafft es dann auch saisonal auf die Karte. Durch das Auslosen finden auch Kolleg*innen zusammen, die sonst vielleicht noch nicht viel Kontakt hatten und das Wir-Gefühl des gesamten Teams steigt an.
Welches sind Ihre wichtigsten Tipps für andere Unternehmen Berufsanerkennung erfolgreich zu nutzen?
1. Einfach machen! - Wer nicht anfängt, hat schon verloren.
2. Nicht den Mut verlieren! - Unser Weg zur Berufsanerkennung eines Kochs aus China ist steinig und zieht sich inzwischen schon ein gutes Jahr. Es werden Unterlagen benötigt, von denen man anfangs nichts wusste. Diese müssen dann im Original aus China besorgt und beglaubigt übersetzt werden. Und all das nur, damit sich dann herausstellt, dass es doch noch nicht das richtige Dokument war und die Reise beginnt von vorn. Dann tragen die Zeitverschiebung und die unterschiedlichen Bildungssysteme dazu bei, dass man sich nicht immer einig ist, was mit einer bestimmten Begrifflichkeit gemeint ist. Hilfestellung war bei unserer Problematik leider rar gesät, denn die Beratungsstellen waren entweder nicht auf das Thema ausgelegt oder hatten diesen Fall ebenfalls noch nicht erlebt. Daher hat es mich sehr gefreut, vor kurzem an meinem ersten virtuellen Treffen der Siegeltragenden teilzunehmen. Der Austausch mit anderen Betrieben bedeutet sehr viel und stärkt immens. Inzwischen sind wir auf einem guten Weg. Der Prozess läuft und es sind Fortschritte zu verzeichnen. Wir sind guter Dinge!
Vielen Dank Frau Brandt für das Interview und Ihre spannenden Einblicke
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