Interview mit Lejla Hujić von der AHK Bosnien und Herzegowina
Die Westbalkanregelung im Vergleich zur Einreise als qualifizierte Fachkraft – Was sind die Unterschiede?
Sie möchten Personen aus der Westbalkanregion – also Staatsangehörige der Länder Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Republik Nordmazedonien, Montenegro und Serbien – einstellen? Welche Möglichkeiten haben Unternehmen? Wann ist eine Einreise über die Westbalkanreglung und wann als qualifizierte Fachkraft mit den Regeln des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes sinnvoller?
Wir vom Projekt UBA haben bei Lejla Hujić nachgefragt. Sie leitet seit Februar 2021 das Projekt ProRecognition an der AHK Bosnien und Herzegowina. Bei ProRecognition werden Fachkräfte, die in Deutschland arbeiten und ihre ausländische Berufsqualifikation anerkennen lassen möchten, beraten.
In welchen Fällen ist es sinnvoller, ein Visum über die Westbalkanregelung zu beantragen und wann als qualifizierte Fachkraft mit den Regelungen des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes nach Deutschland zu kommen?
Die Westbalkanregelung ist gut für Menschen, die keine Qualifikation besitzen und sonst keine Möglichkeit hätten, nach Deutschland einzuwandern. Meistens geht es auch um Jobs, die gar keine Qualifikation erfordern. In diesen Fällen gibt es keine Alternative zur Westbalkanregelung.
Ich würde sagen, bei allen anderen Fällen ist der Weg über das Fachkräfteeinwanderungsgesetz und die in diesem Rahmen erforderliche Berufsanerkennung die bessere Wahl. Mit der Berufsanerkennung gibt es einfach sehr viele Vorteile: Als Fachkraft hat man dann ein deutsches Dokument, das die Qualifikation bestätigt. Das ist eine Sicherheit für jeden - für den Arbeitgeber, der dann weiß, was diese Person tatsächlich gelernt hat, und für die Fachkraft auch, die weiß, dass sie damit rechtlich einer Fachkraft aus Deutschland gleichgestellt ist. Die Einreise über das Fachkräfteeinwanderungsgesetz bietet noch weitere Vorteile: Die Termine an den deutschen Botschaften im Westbalkan sind besser planbar und es gibt die Möglichkeit des beschleunigten Fachkräfteverfahrens, über das die Familie gleich mitgenommen werden kann. Und man kann zum Beispiel als Fachkraft mit einer anerkannten Qualifikation auch schneller eine Niederlassungserlaubnis bekommen, also einen dauerhaften Aufenthaltstitel in Deutschland.
Welche Rolle spielt der Familiennachzug?
Die Familie ist ein sehr wichtiger Punkt, wenn es darum geht, dass sich die Fachkraft in Deutschland schnell integriert, wohlfühlt und auch langfristig in Deutschland bzw. bei dem Arbeitgeber bleiben möchte. Wir haben festgestellt, dass das eine sehr große Rolle spielt. Wenn wir Menschen, die sich entscheiden zurückzugehen, nach den Gründen fragen, dann fehlt meistens die Familie und das Umfeld. Aus diesem Grund ist es sehr wichtig, dass die Familie direkt mitkommen kann.
Welche Unterschiede gibt es zwischen Westbalkanregelung und Fachkräftevisum hinsichtlich der Terminvergabe bei den Botschaften?
Bei der Westbalkanregelung musste man früher sehr lange warten, da gab es noch wirklich Wartelisten. Jetzt werden die Termine jeden Monat verlost. Wenn man Glück hat, bekommt man einen Termin. Wenn man aber Pech hat, kann es auch sehr lange dauern.
Beantragt man ein Visum über das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, kann man hingegen ganz gut planen und die Wartezeit auf einen Termin ist auch vergleichsweise kurz. In Bosnien und Herzegowina bekommt man innerhalb von zwei Wochen einen Termin, manchmal sogar am nächsten Tag. In Serbien dauert es aktuell, soweit ich weiß, bis zu vier Wochen. Es ist ein bisschen unterschiedlich, je nach Land, aber insgesamt trotzdem gut planbar und absehbar, wann der Termin ist. Die Bearbeitung des Antrags geht relativ schnell und innerhalb von ein paar Wochen ist das Visum dann ausgestellt - wenn die Voraussetzungen dafür erfüllt sind.
Wie läuft es ab, wenn man sich bei Euch beraten lassen möchte?
Über unsere Hotline können sich alle melden und erhalten erste Infos. Für die individuelle Beratung vor Ort, online oder per Telefon, die dann ein bisschen tiefer einsteigt, gibt es eine Vorprüfung. Das ist ein Quick-Check auf unserer Webseite, den Interessenten beantworten können. Fachkräfte, die gute Aussichten auf eine Anerkennung haben bzw. die auch gewisse Sprachkenntnisse vorweisen oder schon ein Jobangebot haben, können dann einen Beratungstermin bei uns buchen. Alle anderen bekommen erstmal Tipps, was sie noch machen und welche Schritte sie unternehmen müssten. Mit der Beratung in der Region und in Landessprache haben wir den Vorteil, dass wir die Ausbildung in den Ländern des Westbalkan besser einschätzen können. Für die Berufe muss man den passenden deutschen Referenzberuf finden und oft ist das hier vor Ort einfach besser möglich.
Machen sich die Fachkräfte allein auf den Weg oder haben sie in der Regel bereits einen Arbeitgeber in Deutschland?
Die meisten haben tatsächlich schon ein Jobangebot. Sie kommen zu uns, nachdem sie entweder versucht haben, über die Westbalkanregelung einen Termin zu bekommen und es nicht geklappt hat, oder der Arbeitgeber verweist sie auf uns. Es kommt nämlich auch vor, dass der Arbeitgeber in Deutschland den Tipp bekommt, die Fachkraft solle sich an uns wenden. Manche Fachkräfte kommen auch über eine persönliche Empfehlung von Menschen, die schon von uns beraten wurden.
Und wenn kein Jobangebot vorliegt, unterstützt ProRec auch bei der Suche nach einem Arbeitgeber?
Wir unterstützen alle Fachkräfte bei dem Weg der Anerkennung, können allerdings keine direkte Vermittlung machen. Hier verweisen wir an andere Stellen, die Kontakt zu Arbeitgebern haben und die Fachkräfte dann weitervermitteln oder in entsprechende Datenbanken oder Pools aufnehmen.
Zum Beispiel verweisen wir an die ZAV, wenn die Fachkraft auch entsprechende Deutschkenntnisse hat. Wenn die Fachkraft eine teilweise Anerkennung bekommen hat und noch keinen passenden Arbeitgeber gefunden hat, dann gibt es ja unsere Zusammenarbeit mit UBA, wo über UBAconnect teilanerkannte Fachkräfte aus dem Ausland und Arbeitgeber in Deutschland zusammengebracht werden.
Können sich auch Unternehmen aus Deutschland an Euch wenden?
Ja, natürlich. Es kommt manchmal vor, dass sich eine Fachkraft an uns wendet und nicht so ganz versteht, wer was machen soll und was noch in Deutschland passiert. Das ist vor allem beim beschleunigten Verfahren der Fall. Nicht selten kommt es dann auch vor, dass Arbeitgeber sich an uns wenden und wir ihnen den ganzen Prozess erklären. Arbeitgeber, die das Verfahren im Namen der Fachkraft machen, unterstützen wir genauso.
Vielen, vielen Dank für die spannenden Einblicke und viel Erfolg bei den zukünftigen Beratungen.
Kontakt und weitere Informationen zu ProRecognition an der AHK Bosnien:
https://www.ahk.de/bs/nostrifikacija-diploma
Mehr Informationen zu unserem Matching-Tool UBAconnect: https://www.unternehmen-berufsanerkennung.de/uba-connect