Im Interview mit Maria Glisic von „Die Länderbahn"

Onboarding internationaler Fachkräfte

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von Unternehmen Berufsanerkennung
05.12.2023 5 Minuten Lesezeit

Ein erfolgreiches Onboarding, das heißt Kennenlernen, Einführung und Integration neuer Mitarbeiter*innen in das Unternehmen und seine Kultur. Es ist für Unternehmen von großer Bedeutung, so wird hier ein Grundstein für eine langfristige und produktive Zusammenarbeit mit neuen Mitarbeiter*innen gelegt. Damit sich die Fachkräfte schnell in ihre Aufgaben einarbeiten, diese verstehen und sich in Teamstrukturen zurechtfinden können, ist ein strukturiertes Onboarding der Schlüssel.  Es stärkt außerdem die Mitarbeiter*innenbindung und verringert die Fluktuation. Besonders das Onboarding von internationalen Fachkräften kann das Unternehmen vor Herausforderungen stellen. Wir haben mit Maria Glisic, Referentin Aus- und Weiterbildung und Integration bei „Die Länderbahn GmbH“, über ihre Erfahrungen aus der Praxis gesprochen, welche Vorkehrungen sie bei digitalen Gesprächen trifft und wie der Prozess des gegenseitigen Kennenlernens erfolgreich gemeistert werden kann.

 

UBA: Worauf achten Sie besonders beim ersten Gespräch mit internationalen Fachkräften?

Grundsätzlich ist das erste Gespräch dazu da, sich kennenzulernen. Je nach Sprachkenntnis kann das Gespräch auf Deutsch oder auch auf Englisch geführt werden. Manchmal führen wir Gespräche sogar auf der Muttersprache der bewerbenden Person. Wir haben das Glück, dass wir viele Bestandsmitarbeitende haben, die andere Sprachen sprechen. Das nutzen wir tatsächlich öfter. Wir suchen dann vor dem Gespräch in der Belegschaft Freiwillige, die die jeweilige Sprache sprechen und sich bereit erklären, als Dolmetscher*in zu fungieren. Da fühlen sich auch die bestehenden Mitarbeiter wertgeschätzt.
Als Recruiter*in ist es besonders wichtig auf einfache Sprache zu achten und eine deutliche und langsame Aussprache. Viele Bewerber*innen trauen sich sonst einfach nicht nachzufragen, wenn die Sprachkenntnisse noch nicht so gut sind und so bleiben wichtige Informationen auf der Strecke. Daher ist ein*e Muttersprachler*in als Dolmetscher*in im Gespräch Gold wert.

UBA: Welche inhaltlichen Punkte besprechen Sie mit den Fachkräften vor Ihrer Vertragsunterzeichnung?

Wenn die Fachkraft interessant für uns ist, bleibt es nicht bei einem Gespräch. Damit alle wichtigen Informationen ausgetauscht werden und wir als Arbeitgeber sicher gehen können, dass auch alle Informationen bei der internationalen Fachkraft angekommen sind, führen wir lieber mehrere Gespräche.
Wir stellen die Firma vor und versuchen, alle Prozesse im Vorfeld so transparent wie möglich zu zeigen. Jede*r Bewerber*in braucht ein Führungszeugnis, das wollen wir in der Originalsprache aus dem Heimatland. Wir weisen sie darauf hin, was sie für den Umtausch des heimischen Führerscheins brauchen, dass sie einen Auszug aus Geburtenregister, Heiratsregister, Nachweis über Elternschaft, Abschlüsse und Diploma mitnehmen sollen. Auch ärztliche Nachweise zum Beispiel von Medikamenten, die man regelmäßig nimmt, sind wichtig. Medikamente sind ja auch nicht überall gleich. Daher ist es wichtig, das eigene Leben dokumentiert bei sich zu haben. Einfach alles, was einen ausmacht, auch wenn das nicht direkt mit Arbeit zu tun hat. Wenn sich jemand entscheidet, sein Leben auf den Kopf zu stellen, helfen wir dabei, an alles Wichtige zu denken. Dafür haben wir eine Checkliste erstellt.

UBA: Wie erklären Sie die Einreise- und Anerkennungsprozesse?

Wichtig ist, in der Kennenlernphase als erstes zu klären, wo die Fachkraft herkommt und welche Einreisebestimmungen für sie gelten. Wenn sich die Person außerhalb der EU befindet, ist es gut auch schon anzukündigen, welche Schritte da von Nöten sind, damit eine Einreise funktionieren kann. Wir erklären dann alle Schritte kleinteilig und in einfacher Sprache. Dabei hilft es sehr, wenn man ein Dokument hat, worauf alle Schritte verständlich skizziert werden. Man darf aber wirklich nicht erwarten, dass die Bewerber*innen all diese Schritte und Prozesse auf Anhieb verstehen. Ich schicke die Erklärung der einzelnen Schritte immer auch im Nachgang als Anhang in einer Mail, in der dann auch die Aufgabenteilung deutlich wird: Um welche Dinge kümmert sich die Fachkraft, und um welche kümmern wir uns als Arbeitgeber.
Das machen wir alles, bevor ein Arbeitsvertrag geschlossen wird. Wir vereinbaren eine Absichtserklärung mit der wir uns gegenseitig verpflichten und der Arbeitsvertrag kommt dann erst im letzten Schritt, wenn die Anerkennung durch ist. Wir weisen immer darauf hin, dass sich der Anerkennungsprozess verzögern kann und sich der Arbeitsstart auch etwas hinziehen könnte. Daher braucht man hier viel Einfühlungsvermögen. Wir wollen die Menschen ehrlich vorbereiten, auf das, was auf sie zukommen kann, das gehört zu einer fairen Kommunikation. So baut man auch von Anfang an Vertrauen auf. Natürlich könnte man einfach alle Formulare zuschicken und sagen: Bitte hier und hier und hier unterschreiben und die Fachkraft weiß dann nicht, ob sie ihre Seele dem Teufel verkauft hat. Deswegen erklären wir alles ehrlich und verständlich und bekommen hierfür positive Rückmeldungen von den Bewerber*innen. Sie sind dankbar dafür. Hier beginnt bereits die Mitarbeiterbindung.

UBA: Wie laufen bei Ihnen die Vorbereitungen bis zur Ankunft einer internationalen Fachkraft ab?

Wir machen zuerst einen Videocall, der heißt „Willkommen in Deutschland“.  Darin zeigen wir auch Fotos, die zeigen, wo die Fachkräfte ankommen werden, wer sie vom Flughafen oder Bahnhof abholt und wie die ersten Tage aussehen. Wir schicken kurz vor der Abreise eine Checkliste, welche Unterlagen mitzubringen sind, die bei der Bank, oder Anmeldung auf der Stadt/Gemeinde wichtig sind.
Wir empfehlen auch immer eine Auslandskrankenversicherung für die Reise und die erste Zeit in Deutschland abzuschließen – einfach für den Fall der Fälle. Wenn die Fachkräfte dann da sind, holen wir sie direkt ab und sie bekommen dann die Möglichkeit, erst einmal in Ruhe anzukommen, auszupacken,zu duschen und so weiter. Mehr passiert dann erstmal nicht, denn eine solche Reise ist aufregend und anstrengend. Am ersten Arbeitstag geht man dann die wichtigsten Formulare durch. Wir zeigen das Unternehmen, stellen Kolleg*innen vor, überreichen Arbeitskleidung und die technische Ausrüstung. Das ist dann nicht anders als bei einem anderen Mitarbeitenden.

UBA: Wenn die neue Fachkraft dann da ist, wie sorgen Sie dafür, dass sie gut ankommt im Unternehmen und in Deutschland?

Wenn wir die Einführung gemacht haben, dann hangeln wir uns entlang des Einarbeitungsplans. Dieser ist detailliert geplant und sieht vor, in welcher Woche welche Aufgaben anstehen. Wir sind immer im Austausch und fragen nach: Wie läuft es in der Anpassungsqualifizierung, wie lange gilt das Visum, müssen wir bei der Anerkennung des Führerscheins helfen oder den Familiennachzug unterstützen?
Wir hospitieren oft in den ersten Wochen und spielen Mäuschen, kümmern uns z.B. um einen qualifizierungsbegleitenden Sprachkurs. Je mehr es in die Praxis geht, desto mehr ziehe ich mich zurück. Die direkten Vorgesetzten werden dann immer wichtiger und zu den ersten Ansprechpersonen. Diese sind aber auch von Anfang an eingebunden, damit auch hier das Vertrauen entsteht. Es kommen aber weiterhin viele Fragen auch bei mir an.
Wir haben zudem ein engmaschiges Monitoring-System mit regelmäßigen Fortbildungen und Qualitätskontrollen. Im privaten Bereich versuchen wir, die Fachkräfte zu vernetzen, zum Beispiel durch Grillen mit Kolleg*innen, Fußball spielen und anderen Aktivitäten. Je mehr Kolleg*innen aus dem Ausland kommen, desto entspannter wird’s auch, weil sich die Menschen gegenseitig helfen. Da die Integration auch immer von den Einzelnen abhängt, bleibt dies ein Lern-, und Erfahrungsprozess. Bei manchen läuft es schnell gut und sie sind begeistert. Andere brauchen etwas mehr Zeit. Man muss Geduld haben, denn Gewohnheiten müssen neu gedacht werden, was auch immer Zeit und Energie kostet. Am Anfang muss man mit Berührungsängsten und/oder Befindlichkeiten umgehen und eher mal schubsen, aber es haben sich zum Glück bisher alle gut einfinden können.